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Cuno Amiet und die Holzschnittkunst 

 

Der Holzschnitt, das älteste und einfachste Bilddruckverfahren überhaupt, ist charakterisiert durch ausdrucksstarke stilisierte Formulierungen. Dieser visuellen Eindringlichkeit und dem Umstand als Hochdruck hohe Auflagen zu gestatten und mit dem Letterndruck zu harmonieren, verdankt er seine ununterbrochene Bedeutung vom 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Wenn er auch nicht zu allen Zeiten als Medium für Bildgestaltungen mit eindeutig künstlerischem Anspruch gewählt worden ist, so fand der Holzschnitt doch die Aufmerksamkeit der Künstler. 

 

Cuno Amiet und Giovanni Giacometti hatten in München Freundschaft geschlossen und einen gemeinsamen Studienaufenthalt in Paris verlebt, bevor Giacometti ins Bergell zurückkehren musste, während Amiet noch Gelegenheit erhielt, Pont-Aven und seinen Künstlerkreis kennenzulernen. Neben Vallotton und Ferdinand Hodler waren sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts die beiden einzigen Schweizer Maler von internationalem Ruf. Hodler hat sich für das Holzschneiden nicht interessiert. Amiet und Giacometti aber schufen neben ihrer Malerei ein Oeuvre von Schwarzweiss- und Farbholzschnitten von je zwanzig bis dreissig Blättern. 

 

Cuno Amiet, Winter in Oschwand, 1902
Cuno Amiet, Winter in Oschwand, 1902

Amiets erste Farbholzschnitte, zwei poetische Winterlandschaften aus der Zeit zwischen 1902 und 1905, sind von der Japanmode diktiert. Aus den Jahren bis 1910, also so lange Amiet gelegentlich in Holz schnitt, findet man Kompositionen und Exlibris-Blättchen für Freunde, in denen die Macht der Flächengewichtung Vallattons nachwirkt. Davon liessen sich sogar die jungen deutschen Expressionisten – allen voran Ernst Ludwig Kirchner mit seinen Holzschnitten aus den Jahren 1904 und 1905 – beeinflussen. 1906 lud die Künstlergruppe «Die Brücke» Amiet ein, sich ihr anzuschliessen, was er auch tat. Er blieb Mitglied bis zur Auflösung 1913. Die Künstler der «Brücke» beschäftigten sich stark mit dem Holzschnitt und hofften so, einer traditionellen, einheimischen Kunst neue Impulse zu geben. Die für den Holzschnitt charakteristische, vereinfachte Formgebung und expressive Unmittelbarkeit entsprach vollkommen ihrem Verlangen nach einer unverhüllten Gefühlsmitteilung, um das sie sich in ihrer Malerei so sehr bemühten. Um eine möglichst grosse Mitgliedschaft zur Unterstützung zu gewinnen, fasste die «Brücke» den Plan, an ihre Mitglieder jährlich eine Mappe mit Originaldrucken zu verschicken. 

 

Cuno Amiet, Portrait Giovanni Giacometti beim Lesen, 1907
Cuno Amiet, Portrait Giovanni Giacometti beim Lesen, 1907

Die erste Mappe wurde 1907 zusammengestellt und enthielt auch einen Holzschnitt von Amiet, ein Porträt seines Freundes Giovanni Giacometti. Er war wohl schon im Jahre 1904 entstanden, kam aber in seiner schlichten Vitalität den Absichten der «Brücke» sehr entgegen. Amiet hatte in Pont-Aven grafisch zu arbeiten begonnen, als er unter der Leitung von Armand Séguin einige Radierungen schuf. Sein erster Holzschnitt entstand 1902 und stellt eine wirkungsvolle und sehr schlichte Winterszene dar, die bereits ein gutes Verständnis für die Sparsamkeit der Mittel zeigt. Die leeren Flächen werden mit Bedeutung aufgeladen durch die karge, wohlbedachte Verteilung der Druckerschwärze. Bereits – und obwohl dieser Holzschnitt mehrere Monate vor dem gelben Hügel entstanden ist – spüren wir, wie sich Amiet dem japanischen Holzschnitt zuwendet.

 

Cuno Amiet, Schulpause im Winter, 1909
Cuno Amiet, Schulpause im Winter, 1909

Als Mitglied der «Brücke» fühlte sich Amiet zu weiteren Holzschnitten ermutigt. Das Blatt Schulpause im Winter von 1909 ist Amiets einziger Holzschnitt, in dem ein Einfluss der «Brücke-Mitgliedschaft» in Ansätzen expressionistischer Stilmittel hervortritt. Geschmeidiger Linienfluss und klare Flächenbegrenzung sind für einmal massvollem Stakkato gewichen. Die Schnittweise lässt in der Gestaltung der Kinderfiguren als eckige, ausgefranste Silhouetten und in allen von ungleichmässiger Kontur gefassten Flächen sowie in ihrer «zufälligen» Binnenschraffierung rohe Kerbspuren des Werkzeuges erkennen. Giovanni Giacometti war durch Amiet auf die Aktualität des Holzschnittes aufmerksam gemacht worden. Wenn andere Maler das Holzschneiden als Stildisziplinierung betrachten mochten, so ging es ihm eher darum, die Spontanität seiner Pinselschrift auch den spröderen Möglichkeiten der Holzschnitt-Technik abzugewinnen. Eine Schülerin Amiets Alice Baillys wandte sich ebenfalls der Holzschnitt-Technik zu. Ihre ersten arbeiten stammen aus dem Jahre 1904, aus einer Zeit, als die Genfer Künstlerin – nach Studienaufenthalten in München – in Paris arbeitete. Ebenso Ernst Geiger (1876-1965) welcher bei Cuno Amiet in die Technik des Holzschnittes eingeführt worden ist. Geiger schuf von 1905 bis 1941 70 Exlibris Drucke. Für die Herstellung dieser wählte er ausschliesslich die Holzschnitt-Technik.

 

Textauszüge aus der Publikation: 

Der moderne Holzschnitt in der Schweiz / Autor: Eva Korazija Magnaguagno, erschienen im Limmat Verlag, 1987, zu beziehen über Orell Füssli Verlag