Cuno Amiet – Werke auf Asbestfaserplatten (Eternit)
In den Jahren 1904 bis 1908 experimentiert Cuno Amiet mit diesem neuen Trägermaterial. Nach heutigem Kenntnisstand endstanden in diesem Zeitraum ca. 20 Werke von Cuno Amiet mit diesem Trägermaterial. In den späteren Jahren wurde es von ihm nicht mehr verwendet, da die Farbfestigkeit nicht gegeben war.
Geschichte und Verwendung: Antike und Mittelalter
Erstmals erwähnt wurde Asbest im dritten Jahrhundert vor Christus in einem Buch über Steine von Theophrast. In Athen wurde die ewige Flamme auf der Akropolis zu dieser Zeit mit einem Docht aus Asbest betrieben. Die häufigere und üblichere Bezeichnung für Asbest in der altgriechischen Sprache und die einzig mögliche Bezeichnung im Neugriechischen ist allerdings nicht άσβεστος asbestos, sondern αμίαντος amiantos; die Wörter άσβεστος asvestos oder ασβέστης asvestis stehen im Neugriechischen einzig und allein für Kalkstein.
Der römische Naturforscher Plinius der Ältere berichtet von bei Tisch gebrauchten Tüchern aus „unbrennbarem Leinen“, die durch das Feuer gereinigt werden konnten, sowie von Leichentüchern für Könige aus Asbestgewebe, durch die nach der Verbrennung der Leichen die Asche der Körper sicher vom Übrigen abgetrennt werden konnte.
Obwohl im ersten Jahrtausend unserer Zeitrechnung über Asbest von Europa bis China berichtet wird, konnten sich nur sehr reiche Menschen Gegenstände daraus leisten. Bekannt ist eine Legende, welche besagt, dass Karl der Grosse durch die Reinigung seiner Tischdecke im Feuer seine Gäste beeindruckt habe. Marco Polo berichtete, dass in der Nähe von Cincitalas, heute in der chinesischen Provinz Xinjiang, eine Substanz „von der Natur des Salamanders“ abgebaut wurde, aus der man Gewebe herstellte, die dem Feuer widerstanden und die man zum Bleichen ins Feuer legte.
Im Mittelalter ging das Wissen um die Herkunft in Europa verloren und es entstanden Gerüchte, dass es sich beim Asbest um Schuppen von drachenartigen Reptilien oder sogar um Federn des Phönix handeln könnte. Schwindler versuchten, Stoffe aus Asbest als Teile der Kleidung Jesu zu verkaufen.
Geschichte und Verwendung: 19. und 20. Jahrhundert
In der Neuzeit fand Asbest erstmals in den 1820er Jahren eine ernsthafte Anwendung. Die Fasern wurden zu feuerfester Kleidung für Feuerwehrleute verarbeitet. Bald kamen Anwendungen wie feuerfeste Dächer oder Wärmedämmungen für Dampfmaschinen hinzu. 1887 wurde die Firma Seitz in Bad Kreuznach gegründet, nachdem die Weinhändler Theo & Geo Seitz die hervorragenden Filtrationseigenschaften von Asbest-Anschwemmfiltern entdeckt hatten. Am 15. Juni 1901 erhielt der Österreicher Ludwig Hatschekals, Besitzer einer Asbestwarenfabrik, ein österreichisches Patent für ein Verfahren zur Herstellung von Kunststeinplatten unter Verwendung von Asbestfasern, das erstmals am 25. November 1901 veröffentlicht wurde. Damit begann ein Boom in der Verwendung von Asbest zur Herstellung sehr unterschiedlicher Produkte.
Einsatz in der Malerei
Ab 1903 war dann der neue Baustoff auch in der Schweiz erhältlich. Gleichzeitig erschienen auf dem Markt auch andere asbesthaltige Produkte und wurden als Malgrundlage entdeckt. So wurde beispielsweise im Oktober 1903 in der deutschen Zeitschrift Technische Mitteilungen für Malerei ein asbesthaltiges „künstliches Produkt als Ersatz für Holz und Metall“ in diesem Sinn vorgestellt. Im Jahre 1903 verwendete Wilhelm Balmer, ein Schulfreund von Cuno Amiet aus den Akademie-Tagen in München, in Florenz eine Platte, die er später als Eternit bezeichnet; ob es sich tatsächlich um dieses Material handelte, kann nicht abschliessend garantiert werden.
In Mode kam dieses neue Material bei Schweizer Malern erst ab 1904, als die Schweizer Eternitwerke AG in Niederurnen ihre Produktion aufnahm. Von diesem Zeitpunkt an ist seine Verwendung nicht nur für Amiet und Balmer, sondern auch für Giovanni Giacometti, Louis de Meuron, Fritz Widmann, um nur einige zu nennen, und in einem einzigen Fall auch für Ferdinand Hodler belegt. Auch in Frankreich stiess dieses neue Material auf Interesse. So verwendete es auch Paul Sérusier aus der Bretagne. Amiet lernte Sérusier während seiner Ausbildung an der Académie Julian, in Paris, 1888 kennen sowie auch Pierre Bonnard. In einem Schreiben an Jan Verkade schrieb Paul Sérusier im Juni 1905: „Ich habe eine neue Bildträgersorte entdeckt. Es sind Platten aus Zement, die mit Asbestfasern gemischt sind. Sie sind ähnlich wie Karton, aber viel stabiler, billiger als Holz und leichter als Schiefer“.
Cuno Amiet und die Asbestplatten
In der ersten Hälfte des Jahres 1904 war Cuno Amiet im Besitz von einer grösseren Anzahl von Eternit-Tafeln; allein in diesem und den darauffolgenden Jahren schuf er 19 Werke auf diesem Trägermaterial. Mitte 1904 war auch sein Freund Giovanni Giacometti im Besitz zweier Platten, von denen jedoch eine von der Staffelei fiel und zu seiner grossen Enttäuschung zerbrach. In einem Brief an Cuno Amiet äussert er sich: „Nun ist die Meinung, die ich von diesem Material hatte, wesentlich verändert. Wenn die Platten so leicht zerbrechen, werde ich mich hüten, sie weiterhin zu benützen“. Von den Folgen des Sturzes ebenfalls überrascht, vermutet Amiet die Anlieferung einer Fehlerhaften Platte und ermuntert Giacometti es doch nochmals zu probieren und sich an den Lieferanten der ausgelieferten zwei Platten zu wenden. Giacomettis Platten wurden vermutlich von der Niederurner Eternitplatten AG geliefert, woraufhin diese von Amiet aus Zürich stammten. Von Giovanni Giacometti sind 20 Werke bekannt mit diesem Trägermaterial. Doch leider machten beide Freunde schon bald eine weitere unliebsame Entdeckung: Es zeigte sich, dass die Malschichten, die sie auftrugen, nicht immer gut auf den Platten hafteten. Etliche ihrer Eternit-Bilder, so zum Beispiel das Hauptbild von Cuno Amiets Diptychon „Die Hoffnung“ von 1904, zeigten deutliche Spuren von Rissbildungen und Abblätterungen in der Malschicht, die schon beim Malen, oder kurz danach, auftraten und repariert werden mussten. Nicht nur die beiden Künstler, auch Amiets Mäzen, der Biberister Industrielle und Sammler Oscar Miller, erkannte schnell diesen Schwachpunkt des neuen Bildträgertyps. Die schlechte Haftung ist wahrscheinlich nicht dem Trägermaterial geschuldet, sondern das die beiden Maler mit wässrig gebundenen Grundierungen und Temperafarben darauf arbeiteten dürfte das Problem verstärkt haben. Amiet registrierte dies und grundierte ab 1905 seine Platten nicht mehr sondern arbeitete direkt auf dem Trägermaterial Eternit und nur noch mit Ölfarben.
Dinah Wernli erläutert, wie der Bildband «Louise» entstanden ist
Ende 2024 erschien der Bildband «Louise» der Illustratorin Dinah Wernli beim Zürcher Verlag Edition Moderne. Inspiriert wurde dieses Buch von Cuno Amiets Schaffenswerk.
Dinah Wernli, geboren 1983 in Schlieren, Schweiz, arbeitete als Damenschneiderin in einem Basler Couture-Atelier und als Kindergärtnerin und Primarlehrerin an verschiedenen Schulen, ehe sie Illustration an der Hochschule Luzern — Design & Kunst studierte. Seither ist sie als freischaffende Illustratorin und Autorin tätig. Sie lebt und arbeitet in Zofingen. Für «Louise» erhielt sie den Förderpreis der zeugindesign-Stiftung.
In einem Gespräch erläutert Dinah Wernli ihre Beweggründe hinter «Louise»:
Was war der auslösende Moment für das Projekt «Louise»?
Dinah Wernli: Ausgangspunkt meines Projekts «Louise» bildet ein Gemälde Cuno Amiets, das ich vor einigen Jahren in einer Ausstellung gesehen habe. Es zeigt einen Halbakt, den Oberkörper, die schwere Brust in sattem Gelb gehalten, auf den massigen Schultern ein kleiner oranger Kopf – daneben in Messing geprägt die Angaben zum Bild: Halbakt von vorn (Frau Grütter), 1907. Und ich glaube, es war diese Klammerbemerkung, die mich zu meinem aktuellen Projekt geführt hat, die Gleichzeitigkeit dieser nackten Frau und dem förmlichen „Frau Grütter“, noch dazu in Klammern gesetzt.
Wer war diese Frau in Gelb? Welches Leben lebte sie? Was ging ihr durch den Kopf in jenem Moment? Was mochte die Begegnung mit dem Künstler Cuno Amiet bei ihr ausgelöst haben?Während der Betrachtung des Gemäldes, das bereits ein Jahrh undert überdauert hat, entstand ein Raum der Stille zwischen mir und jener Frau auf der Leinwand. Und in diese Stille hinein begannen meine Gedanken Fäden zu spinnen, die sich langsam zu einer Geschichte verwoben. Daraus ist «Louise» entstanden, ein Gedankenspiel, basierend auf den wenigen mir damals bekannten Fakten über Louise Grütters Leben und den Gemälden und Zeichnungen, die von ihr existieren.
«Louise» ist aus jenem Moment der Stille und der Frage heraus entstanden, was sich rund um jenen Augenblick verborgen haben mochte – eine Frage, die über die konkreten biografischen Fakten, die historische Louise Grütter hinausgeht, und die ich mit der Figur Louise aus dem Buch erkunde.
Ich verstehe «Louise» nicht als ein abgeschlossenes Werk, sondern vielmehr als eine Brücke – zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Realität und Fiktion, zwischen dem, was war, und dem, was hätte sein können. Es war mein Wunsch, Louise eine Stimme zu geben, Zwiegespräch mit ihr zu halten - immer im Bewusstsein, dass es eine Erzählung aus meiner Perspektive heraus bleibt, ich nicht an Louises Statt treten kann und will. Es ist eine Würdigung aus meiner Warte heraus, das Sichtbarmachen einer Existenz, die sich hinter jener Klammerbemerkung, hinter der Frau auf jenem Gemälde verbirgt … oder hätte verbergen können.
Was bedeuten Ihnen die Werke von Cuno Amiet?
Dinah Wernli: Amiets Werk ist sehr umfangreich und vielschichtig und in vielerlei Hinsicht inspirierend, insbesondere seine meisterhaften Farbgebungen, seine Farbkompositionen! Amiets Werke lassen für mich Welten entstehen, in die ich eintauchen, die ich durchschreiten, durch die ich mich verzaubern lassen kann.
Nebst der unglaublichen Fülle und Vielfalt seiner Werke beeindruckt mich auch Amiets Arbeitsweise: Sein beständiges Schaffen, seinen Mut und seine Lust, sich auf Neues einzulassen, seine Freude daran, sich immer wieder neu zu definieren, seine Liebe zur Natur, zu seiner Umgebung und den Menschen um ihn her, sein Blick für das Naheliegende, Einfache, unbeirrbar auch das Alltägliche festhaltend und damit ins grosse Ganze einzufügen.
Die Fondation Cuno Amiet unterstützt Projekte zur Förderung des Interesses der Allgemeinheit an Kunst und Kultur in der Schweiz. Das Buchprojekt «Louise», dessen Wurzeln in Cuno Amiets Schaffenswerk liegen, hat die Stiftung durch seine Authentizität überzeugt und zur Unterstützung bewegt. Der Bildband ist auch in unserem Shop erhältlich.